Mechanical Bride

Halb gare Folklore aus dem digitalen Zeitalter.

Faktenchecks – sinnvoll?

Zuckerberg hat Faktenchecks abgeschafft, weil er darin eine politische Einflussnahme sieht. Linke rufen nach Faktenchecks, um endlich den Wahrheitspanschern der AfD etwas entgegenzusetzen. Die einen sehen in Faktenchecks den Niedergang der freien Meinungsäußerung, die anderen sehen darin eine wichtige Waffe im Kampf gegen Demokratiefeinde. Ganz schön aufgeladen. Was hat sich also geändert, dass wir so eine wilde Debatte darüber haben? Eine Annäherung.

Geändert hat sich auf den ersten Blick vor allem die Masse und Geschwindigkeit unserer Kommunikation. Jeder von uns ist täglich wesentlich mehr ungefilterten Botschaften und Aussagen ausgesetzt. Kein Wunder, denn durch Smartphones erreichen sie uns überall und jederzeit, außerdem kann jeder via Web/Social Media zum Sender werden.

Aber auch die Filter sind nicht mehr dieselben. Früher gab es eine stärkere professionelle Begrenzung durch die klassischen Medien. Zeitungen druckten (schon aus Platzgründen) nur einen Bruchteil der Agenturmeldungen, die täglich um den Globus gehen. Heute sind die Algorithmen unsere Gatekeeper. Allerdings filtern sie nicht nach Seriosität oder Wahrheitsgehalt, sondern nach Engagement-Raten und was auch immer sonst noch, so genau weiß man es ja nicht.

Letztlich – und das ist die jüngste Entwicklung – spielt KI eine wichtige Rolle. Das Erstellen glaubhafter Lügen ist mit viel weniger Aufwand verbunden. Es können Lawinen an Bullshit mit wenigen Mausklicks generiert werden. Die Welt wird kommunikativ jeden Tag etwas künstlicher, etwas mehr Plastik.

Ergo, die schiere Menge, die Möglichkeiten zur Verbreitung und Produktion, aber auch die Auswahl für die Konsumenten, hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verändert. Es fließen mehr Informationen und die Fakten bleiben dabei gewollt (Populismus) oder ungewollt (GenAI) auf der Strecke.

Okay, diese Erkenntnis wird niemanden überraschen, wir sehen die Folgen überall in Politik und Gesellschaft. Da wirkt der Ruf nach Faktenchecks sinnvoll. Journalisten erstellen nicht mehr primär Nachrichten, sondern werden zunehmend damit beschäftigt sein, den Nachrichtenstrom zu untersuchen. Trump veröffentlicht eine Behauptung auf X, ein AfD-Politiker wirft in einer Talkshow eine Zahl in den Raum und die KI-Chatbots müssen sowieso ständig hinterfragt werden. Das ist fast eine neue Berufsgattung: Nicht mehr Reporter, der raus in die Welt geht und Geschehnisse mit seinen eigenen Sinnen einfängt, sondern spezialisierte Faktenchecker am Nerv der Datenströme.

Aber selbst wenn Faktenchecks eine boomende Branche werden, bleibt ein Problem bestehen: die Geschwindigkeit. Ein Faktencheck, wenn er nicht von einer KI gemacht wird, aber die müsste man dann ja auch nochmal checken, wird immer erst mit Verzögerung passieren. Wir kennen das aus Talkshows, wenn es heißt, morgen gibt's auf der Webseite einen Faktencheck. Wir kennen es auch von den Meta-Plattformen und X. Nur, wie viele Prozent der Leute, die die falsche Behauptung gesehen haben, werden auch den Faktencheck zu Gesicht bekommen? Wie effektiv ist ein Faktencheck, der auf eine Aussage oder einen Post, gemacht wird, wenn bereits tausende Klone und Wiederholungen über die Kanäle gegangen sind?

Diese "Pille danach" wird in der Medienforschung auch "Debunking" (Widerlegen) genannt. Es gibt auch andere Ansätze wie das "Prebunking". Dabei geht es weniger um den Check einzelner Aussagen oder Fakten, sondern vielmehr um das proaktive Aufklären zu ganzen Themenblöcken. Nutzer sollen so Falschmeldungen eher erkennen und Quellen besser einordnen können, da sie sich zuvor ein Grundverständnis aneignen konnten. Also Medienkompetenz und Hilfe zur Selbsthilfe, statt nachgezogener Faktenchecks. "Prebunking" lässt sich auch besser skalieren. Wenn Faktenverdreher eine Masse an Falschaussagen streuen, muss nicht auf jede einzelne reagiert werden, sondern nur einmal zentral das Thema behandelt werden.

Bei beiden Ansätzen bleibt fraglich, ob sie die Masse der Menschen auch erreichen. Wer interessiert sich für vorsorgliches "Prebunking", wenn er bisher keine Berührungspunkte mit dem Thema hatte? Quasi die Pille davor, ohne dass man romantische Momente plant. Beim "Debunking" hingegen ist der Faktor Zeit und die Skalierbarkeit das Problem.

Ergo, es gibt keinen Heilbringer bei dem Thema. Die "Krankheit" ist mutiert, die Medizin kommt nicht hinterher. Medienkompetenz, die bereits in der Grundschule vermittelt wird und fester Bestandteil der demokratischen Aufklärung wird, ist sicherlich eine wichtige Grundlage für alle Maßnahmen gegen Falschinformationen. Aber es wird nicht der große Lösungsansatz sein, da würde es man sich zu einfach machen. Auch Faktenchecks sind kein alleiniges Mittel, um den Informationsfluss auf den Plattformen sicherer zu machen. Aber sie waren (in der alten Medienwelt) notwendig – und sind es umso mehr in der neuen Welt.

Zurück zum Herrscher der Plattformen: Zuckerberg hat kein journalistisches Interesse, er hat ein monetäres und ein radikal-libertäres. Ersteres ist logisch, zweiteres eine Gefahr für Demokratien. Außerdem weiß er aus erster Hand, dass Faktenchecks nicht skalieren und bei diesen Informationsmengen extrem teuer sind. Deswegen ist er den leichteren Weg gegangen – und hat das Handtuch geworfen. Wir, als Gesellschaft, dürfen und können es uns nicht so leicht machen.


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Dominik Criado

Ich bin Avantgardist oder Nostalgiker. Je nach Laune. Ich mache mir Gedanken über die Zukunft, während ich öfters mal nach Hinten schaue. Manchmal ist dabei ein Laternenpfahl im Weg.




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