„The Verge“ besinnt sich auf die Ursprünge des Webs
Die Homepage ist tot. Das war eine Weisheit, die bei den Medien irgendwann vor 10 Jahren viele Anhänger fand. Wir müssen dorthin gehen, wo die Leute sowieso sind, hat man auch oft gehört. Doch das scheint sich gerade zu ändern, wie man am Redesign von The Verge sehen kann.
Google, Facebook, Twitter und Amazon haben das World Wide Web, dieses wilde und riesige Spinnennetz, schlagartig auf wenige Anlaufstellen eingegrenzt. Google ist die Startseite für die meisten Vorhaben, meine Freunde finde ich auf Facebook und wenn ich etwas kaufen möchte, gehe ich zu Amazon. Für viele Menschen gibt es darüber hinaus kein Internet. Der Rest ist dieser komische Wilde Westen, wo man aufpassen muss, dass man sich keine Viren einfängt oder Opfer von Fakes wird.
Die Medien mussten darauf reagieren, haben ihre Reichweite auf Facebook gesucht, den Plattformen ihre Inhalte kostenfrei zugespielt und viele Journalisten haben einen Teil ihrer Arbeit über ihre privaten Twitter-Accounts veröffentlicht. Die Debatte drehte sich dann eher darum, ob der vollständige Inhalt auf Facebook auffindbar sein sollte oder nur ein Appetithäppchen mit Verweis auf die eigene Website.
Aber niemand glaubte mehr an die Strahlkraft der eigenen Seite. An die Möglichkeit, dass die Leser direkt die URL ansteuern und die Seite als Portal für ihren Nachrichtenkonsum benutzen.
Dieser Glaube (oder soll ich es Hoffnung nennen) kehrt an verschiedenen Stellen zurück. The Verge ist dafür ein populäres Beispiel.
Nilay Patel, Editor in Chief bei The Verge, schreibt in der Ankündigung:
„But publishing across other people’s platforms can only take you so far. And the more we lived with that decision, the more we felt strongly that our own platform should be an antidote to algorithmic news feeds, an editorial product made by actual people with intent and expertise.“
Aber hier geht es nicht nur um das Zurückerobern der eigenen Hoheit. Die Nutzergewohnheiten haben sich geändert, auch bei den Redakteuren. Kurze Nachrichten, interessante Querverweise auf andere Medien, ein einzelnes Foto oder ein TikTok verbreiten … diese Art von Inhalten wurden von Redaktionssystemen oft nicht vorgesehen. Manchmal gibt es redaktionelle Vorgaben über Mindestlängen oder einer Mindestanzahl an Absätzen (meist der Einbindung von Anzeigen geschuldet). All dem hat sich The Verge mit dem neuen Konzept entledigt.
Bravo.
PS: Mehr Infos bietet dieser Artikel von NiemanLab. Interessant ist auch der verstärkte Fokus auf Nutzerkommentare (auch ein Revival?).