Mechanical Bride

Halb gare Folklore aus dem digitalen Zeitalter.

"Zwischen Welten" von Juli Zeh und Simon Urban

Es gibt diesen einen Satz in dem Buch "Zwischen Welten", der unsere Gesellschaft gerade gut beschreibt: "Wir sind doch eigentlich einer Meinung: nämlich, dass sich etwas ändern muss.“

Was passiert in dem Buch? Zwei Personen treffen nach 20 Jahren Funkstille wieder aufeinander und finden sich in ganz unterschiedlichen Lebensumständen und Sichtweisen wieder. Was damals am studentischen Küchentisch zwischen Theresa und Stefan noch im Einklang begann, zeigt sich nach 20 Jahren als beispielhafte gesellschaftliche Spaltstelle. Theresa hat den Bauernhof ihres Vaters übernommen, während Stefan eine Blitzkarriere zum Vize-Chefredakteur der größten Wochenzeitung im Land vollbracht hat. Er ist ledig und kinderlos, sie im Einfamilienhaus mit Familie. Sie melkt um fünf Uhr früh die Kühe, er zieht sich einen Espresso aus einer sinnlos teuren Siebträgermaschine in der ansonsten ungenutzten Designer-Küche.

Die beiden führen über mehrere Monate einen Schriftwechsel in dem sie streiten und berichten, was ihnen im Alltag widerfährt. Beide sehen die Notwendigkeit für Veränderungen. Stefan sieht die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel und Populismus. Theresa ist konfrontiert mit den ganz täglichen und praktischen Problemen wie Bürokratie, das tägliche Wetter oder die Familienprobleme durch den beruflichen Stress. Der eine intellektuell und theoretisch mit seiner journalistischen Arbeit - und sie ganz praktisch mit dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb.

Ich will nicht zu sehr spoilern, aber beide suchen die Veränderung durch Aktivismus. Beide radikalisieren sich, wenn auch unterschiedlich. Beide möchten eigentlich dasselbe, aber aus unterschiedlichen Perspektiven. Beide sind Teil des Mobs und gleichzeitig Opfer des Mobs.

Die Story überrascht immer wieder mit Ereignissen. Durchaus auch unterhaltsam und spannend. Gleichzeitig ist der Verlauf des Buchs im Gesamten aber vorhersehbar. Das ist nicht schlimm, es geht um die argumentativen Details, um die Schwankungen, die Feinheiten. Wir alle kennen diese Geschichte eigentlich bereits - aus unseren eigenen Erlebnissen und Beobachtungen der gesellschaftlichen Verhältnisse. Deswegen ist es wohl völlig okay, dass das Buch diese nur nachzeichnet. Die Figur von Stefan wirkt dabei deutlich platter und einseitiger. Theresa ist vielschichtiger, was vielleicht an dem interessanteren Background liegt (von der Studentin in Münster zur Landwirtin in Brandenburg).

Kann ich das Buch empfehlen? Bedingt. Es ist schriftstellerisch durchschnittlich. Thematisch sehr aktuell und brisant. Man lernt nicht wirklich etwas, wird sich aber mancher Dinge bewusster.


Get new posts by email:

Großartig! Überprüfe deinen Posteingang und klicke auf den Link, um dein Abonnement zu bestätigen.

Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein!


Dominik Criado’s Profilbild

Dominik Criado

Ich bin Avantgardist oder Nostalgiker. Je nach Laune. Ich mache mir Gedanken über die Zukunft, während ich öfters mal nach Hinten schaue. Manchmal ist dabei ein Laternenpfahl im Weg.




Sign up for updates

No Thanks

Großartig! Überprüfe deinen Posteingang und klicke auf den Link, um dein Abonnement zu bestätigen.